ESSAY-BRIEF

Essay-Brief April 2022

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Alles ist Eins

© Bernd Helge Fritsch

 

 

Nach dem Seminar in Wernberg habe ich von N.N. ein Mail mit folgendem Inhalt bekommen:

 

Lieber Bernd,

herzlichen Dank für Dein wunderbares Seminar.

Ich wurde (durch die Krebsdiagnose, Corona und der Ukrainekrieg) ein sehr ängstlicher Mensch und habe jetzt wieder Vertrauen gewonnen den spirituellen Weg weiter zu gehen, der mir Kraft gibt und mich aufrichtet.

Ich hatte damals auch für mich erkannt, dass mir der Krebs, von dem ich nunmehr "geheilt" bin, von Gott geschickt wurde. Eigentlich habe ich damit auch kein Problem mehr, jedoch ist es die Familie, insbesondere meine Tochter, die mehr leidet und mir immer wieder sagt, dass sie ohne mich nicht leben will. (Sie ist verheiratet und hat 2 kleine Kinder).

 

Ich habe ein paar Fragen an Dich, die ich mir bisher nicht getraut hatte zu fragen:

1. Wie hast Du erkannt, gespürt, dass die Göttlichkeit, atman in Dir ist bzw., dass du eins mit dem Göttlichen bist?

2. Was hat Dich überzeugt, dass Du/wir durch zahlreiche Erdenleben durchgehen müssen bis zur endgültigen Befreiung?

3. Hat es bei Dir lange gedauert von den Identifikationen loszulassen und das Tor zum wahren Sein zu durchschreiten. Ist es dauerhaft oder ist es eine ständige Übung für Dich?

 

Bitte keine Eile mit der Beantwortung meiner Fragen.

 

Ich wünsche Dir und Deiner Familie ein fröhliches Osterfest.

Liebe Grüße N.N.

 

 

Nachstehend meine Antwort:

 

Hallo liebe N.N.!

Vielen Dank für dein Mail und deine Fragen. Nachdem dein Schreiben und meine Antwort darauf für viele Freunde von Interesse sein könnten, habe ich mich entschlossen, daraus einen Essaybrief zu formen:

Es ist eigentlich eine groteske Situation, wenn in einer zwischenmenschlichen Beziehung einer leidet, weil der andere leidet. Die Folge ist: Es leiden Zwei statt bisher Einer. „Leiden“ beruht auf einer Ego-Reaktion. Im Grunde ist der Leidende nicht bereit eine Lebens-Situation liebevoll anzunehmen wie sie ist. Er erkennt nicht, dass alles irdische Geschehen von höchster Weisheit gelenkt wird.

Die Natur ist diesbezüglich viel klüger. Wie beim Seminar erörtert, leiden Tiere nicht. Sie empfinden zwar Schmerzen, doch zugleich sind sie stets „Eins“ mit dem Sein, wie es ist.

In diesem Sinne beschreibt Krishnamurti sein „größtes Geheimnis“ folgendermaßen: „Ich habe nichts gegen das, was ist!“.

Im Neuen Testament findet sich die Lebenshaltung, in der wir befreit vom Ego, glückselig sind, mit den schlichten Worten: „Dein Wille geschehe“ beschrieben. Wenn wir diese Einstellung tief innerlich verwirklichen und auf die Weisheit des allumfassenden Universums vertrauen, gibt es keinen Grund mehr für Ängste, Sorgen und Probleme. All diese Leiden entstehen nur in unserem Kopf durch falsches Denken.

 

Und nun komme ich zu deinen Fragen:

 

Frage 1

Die Erkenntnis, dass alles „Eins“ ist und dass alle Erscheinungen ihren Ursprung in diesem „Einen“ haben, stellt sich automatisch ein, wenn wir all unser unnötiges Denken an das, „was war und das was sein wird“, an das „was wir wollen und das, was wir nicht wollen“ einstellen. Hingegen führt ungezügeltes Denken zu innerer Unruhe, Sorgen, Ängsten, Streitigkeiten und sonstigen Problemen.

Auf meinem Weg haben mich jahrzehntelang weisheitsvolle Schriften, wie beispielsweise die Upanishaden, die Lehren Buddhas, der Bhagavad-Gita, der Evangelien oder die Anleitungen weiser Lehrer wie Shankara, Plotin, Meister Eckehart, Ramana Maharshi, Robert Adams und vieler anderer „Erleuchteter“ begleitet.

Es tut der Seele wohl mit großen Weisheitslehrern quasi in der Form eines Zwiegesprächs immer wieder in Verbindung zu treten.

Letztendlich durfte ich immer deutlicher erkennen, dass alle Weisheit, alles Licht seit jeher in uns leuchtet. Um dieses Licht wahrzunehmen sind keine besonderen Praktiken erforderlich. Es genügt unser Anhaften an den Erscheinungen der äußeren Welt, es genügt unser Ego-Wollen zu beenden. Wenn es gelingt still zu sein und dem universellen Bewusstsein zu vertrauen, offenbart sich ganz ohne Müh und Plage das Göttliche in uns.

Es sind vor allem Gefühle der Wunschlosigkeit und eines tiefen inneren Friedens, durch die wir unsere Einheit mit dem „universellen Bewusstsein“, mit „Gott“, mit dem „Selbst“ oder wie immer wir unseren Wesenskern bezeichnen wollen, erfahren dürfen.

 

Frage 2

Wenn wir beobachten welch einmalige Persönlichkeit sich in jedem Menschen offenbaren, so weist dies deutlich auf die unterschiedlichen Erfahrungen und Lernprozesse in vergangenen Inkarnationen hin.

Es würde keinen Sinn machen, wenn wir die Lernschritte, die wir im Verlaufe eines Lebens machen, nach unserem Ableben nicht in irgendeiner Form fortsetzen können. Es wäre grausam, wenn leidvolle Erfahrungen in einem Erdenleben nicht unserer weiteren Entwicklung in folgenden Inkarnationen dienen.

Man sagt unser Schlaf sei ein Abbild unseres Seins zwischen dem Ableben unseres Körpers und einer neuen Geburt. Mit jedem Erwachen betritt unsere Seele von neuem den physischen Plan und setzt ihr Dasein dort fort, wo sie diese Bewusstseins-Ebene beim Einschlafen verlassen hat. In der Zwischenzeit ist unsere Seele eng mit der geistigen Welt verbunden. Auf diese Weise verarbeitet sie die vorangegangenen Tages-Erlebnisse und schöpft neue Kraft für ihr fortgesetztes Erdendasein. In ähnlicher Weise dient auch unser Aufenthalt in der geistigen Welt zwischen Tod und Neugeburt der Verwandlung unserer Erden-Erlebnisse zu neuen Fähigkeiten und der Entfaltung von höherem Bewusstsein.

Erst wenn wir während der wiederholten irdischen Leben alle wesentlichen Lernprozesse durchgemacht haben und uns von unserem Ego und unserem zwanghaften Denken freigemacht haben, endet der Kreislauf der wiederholten Erdenleben.

Dass wir Menschen wiederholt inkarniert werden, ist allerdings schwer zu erkennen, weil wir uns an unsere Vorleben im Allgemeinen nicht erinnern. Denn solche Erinnerungen würden uns nur unnötig belasten. Erst durch sorgfältige Selbst-Beobachtung und Beobachtung unserer Mitmenschen erfassen wir intuitiv die Weisheit wiederholter Erdenleben.

Das Vertrauen in den altindischen, in den taoistischen, buddhistischen – vorwiegend asiatischen – Kulturkreisen in Reinkarnation und Karma hat erhebliche Auswirkung darauf ob und wie die Menschen bereit sind ihr Schicksal anzunehmen und auf die karmischen Folgen ihrer Handlungen zu achten. Die in den westlichen Ländern der Welt vorherrschende Ansicht, wonach für den Menschen mit seinem Ableben ohnedies „alles vorbei“ ist, fördert hingegen Egoismus und maßloses Konsum-Streben. Näher zu erörtern, weshalb solche Lebenseinstellungen auch in den fernöstlichen Ländern immer mehr um sich greifen, würde über den Rahmen dieses Essay-Briefes hinaus gehen.

 

Frage 3

Du fragst mich, ob es bei mir lange gedauert hat, um von allen Identifikationen loszulassen und „durch das Tor zum wahren Sein“ zu schreiten - und weiters, ob eine einmal erreichte Bewusstseinsstufe dauerhaft ist, oder ständiger Übung bedarf.

Seit rund 60 Jahren bin ich bewusst auf dem spirituellen Weg unterwegs. Dabei durfte ich mehrmals durch verschiedene zum Teil sehr heftige „himmlische und höllische“ Erfahrungen hindurch gehen, die meine bisherigen Ansichten erheblich erschüttert und zu neuem Bewusstsein führten. Ansonsten war es eher eine kontinuierliche Entwicklung die ich erleben durfte.

Ich habe erkannt, dass keine jahrelangen Studien erforderlich sind, damit wir aus der Hypnose durch die Formen-Welt erwachen. Wir selbst erzeugen die Täuschungen, weil wir mit unserem Denken immer neue Vorstellungen erschaffen und diese sodann für die Wirklichkeit halten.

Bodhidharma (440 – 528) der erste Zen-Patriarch, erklärt dazu: „Benutzt man den Geist um Gedanken zu produzieren, so ist der Geist dauernd unruhig, und alles bewegt sich. Dann geht man von einer Hölle zur andern. Entsteht ein Gedanken, entsteht Karma, mag es gut oder schlecht, Himmel oder Hölle sein. Kommt kein Gedanke auf, wird kein Karma geschaffen, weder gutes noch schlechtes, weder Himmel noch Hölle“ (Bodhidharma Lehre des Zen Theseus-Verlag).

Wie jeder bei entsprechender Achtsamkeit feststellen kann, verlockt uns unser Denken immer wieder zur Identifikation mit unserem Körper und unseren Gedanken. Auf diese Weise sind unsere Ängste und Probleme vorprogrammiert. Sogenannte Gedankenmuster (sanskrit – vasanas) üben auf den Menschen durch viele Inkarnationen hindurch unheilsame „Vor-Stellungen“ aus, die dazu führen, dass wir die eigene Göttlichkeit und die Göttlichkeit hinter allen irdischen Erscheinungen nicht erkennen. Stattdessen identifizieren wir uns mit unserem Körper, unseren Gedanken und Gefühlen und unseren karmischen Erfahrungen.

Nur durch ständige, anstrengungslose Achtsamkeit können solche uralten Muster erkannt und aufgelöst werden.

 

 

Viel Freude und Bewusstheit auf all deinen/euren Wegen wünscht dir und allen Freunden

Euer Bernd