ESSAY-BRIEF

Essay-Brief September 2015

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Spielregeln der Liebe I.

© Bernd Helge Fritsch

Zwischen-menschliche Beziehungen

Unter dem irreführendem Titel: „Spielregeln der Liebe“ beginnt mit diesem Essay-Brief eine Folge mit dem Thema: Zwischenmenschliche Beziehungen. Wahre Liebe kennt natürlich keine Regeln – darauf werden wir im Folgenden noch zurückkommen.

Leben bedeutet in Beziehung sein, zu sich selbst, zum Partner, Familie, Freunden, zu Menschen im Arbeitsbereich, zur Natur, zu unserer Nahrung, zur Mutter Erde, zum ganzen Universum. Unser Lebensglück ist maßgeblich von der Qualität dieser Beziehungen beeinflusst. Wie glücklich fühlen wir uns in harmonischen, weitherzigen, uns gegenseitig bereichernden Beziehungen und wie sehr leiden Menschen unter gegenseitiger Abneigung, unter Streit, Missverständnissen und Trennung.

Vorweg sei verraten: Das höchste Glück ergibt sich aus der Verwirklichung der Beziehung zu unserem „Selbst“. Sind wir EINS mit uns selbst, so leben wir - ohne etwas extra dazu tun zu müssen – in harmonischer Beziehung zu allen Wesen.

Liebesgeschichten und Heiratssachen

In den Sommermonaten gibt es jeden Montag-Abend im Fernsehen eine sehr beliebte Sendung mit dem Titel „Liebesgeschichten und Heiratssachen“. In dieser Serie präsentieren sich „wirkliche“ (also keine Schauspieler) Frauen und Männer, hetero- und homo-sexuelle, die einen Partner suchen. Nach der Sendung besteht für interessierte Zuschauer die Möglichkeit sich als Freund/in oder Lebensgefährte/in schriftlich bei den gezeigten Personen zu bewerben.

Die Moderatorin Elisabeth Spira versteht es mit klugen und einfühlsamen Fragen ihre Kandidaten zu präsentieren und nötigenfalls aus der Reserve zu locken. Die mit geschickter Regie gezeigten Film-Szenen erlauben dem Zuschauer einen recht guten Einblick in das Denken und Fühlen, in die Illusionen, Projektionen, Egoismen und Erwartungen der Menschen in Bezug auf „Beziehungen“.

Manche Szenen, die das äußere und innere Leben der Kandidaten aufzeigen, haben einen skurril-tragisch-komischen Charakter. Sie regen zugleich zum Weinen, Lachen und Nachdenken an.

Nachstehend werden einige charakteristische Aussagen einer „Partner-Suchenden“ wieder gegeben:

Ingrid 49 J. - war 18 Jahre verheiratet.

Hatte nach ihrer Scheidung eine 2 ½ Jahre dauernde Beziehung:

„Er wäre meine große Liebe gewesen. Doch dieser Mann hat sich so entwickelt, dass man es sich nicht vorstellen kann. Er hat meine Familie nicht akzeptiert, sondern war auf sie eifersüchtig. Ich durfte mit meiner Familie nicht telefonieren, sollte am Wochenende mein Handy abschalten.

Er hat mich eingeengt und kontrolliert, aber ich brauche meine Freiheit. Er wollte mich besitzen und beherrschen.

Mein künftiger Mann sollte mit beiden Beinen im Leben stehen.

Er sollte sich freuen, wie ich, dass er einen Menschen findet, der für ihn da ist.

Ich möchte mich anlehnen können.

Seine Haarfarbe ist mir egal. Hauptsache ist, er hat Haare. Ich wuschle gerne darin herum. Ein Bartträger ist ein absolutes no go!

Ich bin eine intelligente Person und brauche einen Partner auf Augenhöhe, einen Mann, der was ist und nicht einen »Ja-Sager«.“

 

Wir werden später (in folgenden Briefen) ausführlicher auf diese und einige andere Aussagen der „Beziehungs-Kandidaten“ eingehen.

Spielregeln der Liebe

Die Schwächen unserer Beziehungs-Fähigkeit zeigen sich besonders in Paar-Beziehungen.

Unzählige mehr oder minder wissenschaftliche Literatur und populäre Ratgeber finden sich zu diesem Thema. In diesem Aufsatz beziehe ich mich auf das Buch des namhaften „Paar-Therapeuten“ Dr. Hans Jellouschek „Wie Partnerschaft gelingt – Spielregeln der Liebe“ – Herder-Verlag. Ich erwähne dieses Buch nicht weil es in meinen Augen besonders gut oder schlecht ist, sondern weil es die Denkweise des heutigen „egozentrierten“ Menschen vorzüglich zum Ausdruck bringt.

Schwierigkeiten in Paarbeziehungen sieht der Autor in folgenden Bereichen:

 

Für Jellouschek ist Liebe ein „Entwicklungsprozess“. Sie sei kein „Ereignis“, das einmal da und ein anders mal wieder weg ist. „Was uns in der Phase der Verliebtheit quasi ohne unser Zutun geschenkt wird, das kann auf Dauer nur Wirklichkeit bleiben, wenn wir es uns – jeder für sich und gemeinsam – »erarbeiten«“.

Es sei wichtig, dass in einer Beziehung beide Partner auf eine ausgeglichene Bilanz zwischen Geben und Nehmen achten. Denn: „Sobald einer der beiden über längere Zeit das Gefühl hat, er gibt nur noch und bekommt nichts, wird er sich ausgebeutet fühlen. Und sobald einer über längere Zeit das Gefühl hat, er bekommt nur noch und gibt nichts mehr, wird er sich immer schlechter und schuldiger fühlen.“

Nach Jellouschek werden Krisen in Beziehungen oft deshalb ausgelöst, weil es nicht einfach sei „einen Ausgleich zwischen Autonomie und Bindung zu finden“. Wir sollten uns fragen: Wie sieht in unserer Beziehung die Bilanz hinsichtlich der Balance von Autonomie und Bindung aus? Haben beide genügend eigenen Spielraum, genügend Nähe und Bindung?

Ebenso solle man darauf achten, dass beim Zusammenleben eine entsprechende „Ebenbürtigkeit“ bei der Machtausübung statt finde. Dies gelte insbesondere für den Umgang mit den „Macht-Ressourcen“ Geld, Beruf, Information und Zugang zu den Kindern...

Wichtig sei es auch sich zu fragen: „Was tue ich – was tust du um die gemeinsame Beziehung bewusst zu gestalten? Gibt es hier ein Gleichgewicht? Tun beide gleich viel?“

Gute Partnerschaft durch „gerechte“ Durchsetzung der Ego-Interessen?

Soweit, so gut! Vordergründig erscheinen die Ausführungen des Herrn Jellouschek sehr vernünftig und logisch. Doch blickt man genauer hin, so liest sich sein Beziehungs-Buch wie ein Ratgeber mit dem Inhalt: „Wie schaffe ich einen Kompromiss zwischen meinen Ego-Interessen und den Ego-Interessen meines Partners?“

In seinem Buch empfiehlt er ständig darauf zu achten, dass sich unsere eigenen Ego-Interessen in einer Balance mit den widerstreitenden des Partners befinden. Fortlaufend gilt es zu prüfen, dass keiner der Partner benachteiligt oder gar bevorzugt wird.

Sieht so die „Liebe“ aus, die sich die beiden Partner in einer Beziehung „erarbeiten“ müssen? Entsteht Liebe aus einer gerechten Durchsetzung der wechselseitigen Ego-Interessen? Braucht Liebe eine Balance der Ego-Interessen?

Passend dazu schreibt Jellouschek im Kapitel „Gut miteinander verhandeln“: „... (Es) stoßen heute die individuellen Interessen der Partner unvergleichlich härter aufeinander. Es gilt immer wieder Kompromisse (ein bisschen deins – ein bisschen meins) zu schließen...“ Bei diesen Zeilen entsteht fürwahr der Eindruck dass es sich bei Partnerliebe in erster Linie um eine geschäftliche Angelegenheit handelt.

Der Therapeut erklärt dazu: „Gemeinsame Stress-Bewältigung braucht aber vor allem die Fähigkeit miteinander zu verhandeln. Dann bleibt auch Raum dafür, dass die romantischen Gefühle wieder aufleben können.“ Na dann, viel Spaß beim Verhandeln und der sich daraus ergebenden Romantik!

Dass in einer Beziehung gegenseitige Aggressionen ins Spiel kommen ist für Jellouschek ganz natürlich. Nach seiner Ansicht braucht Partnerliebe „-immer wieder- auch einen guten Schuss Aggression, damit sie lebendig bleiben kann“! Gegenseitige Aggression sei „mindestens eine Voraussetzung jeder Liebe“!

Bei solchen Worten ist man verleitet auszurufen: „Ach wie schön muss Liebe sein!“

Viele Psycho- bzw. Paar-Therapeuten beschäftigen sich vorwiegend mit der Frage: „Wie kann das „Ego“ des Patienten in einer Beziehung seine Interessen optimal durchsetzen ohne dabei allzu sehr in Schwierigkeiten mit dem „Ego“ des andern zu kommen?“ Sie suchen nach „Spiel-Regeln“ um irgendwie die unvermeidlichen Konflikte der gegenseitigen Ego-Interessen in den Griff zu bekommen. Auf die Empfehlung einfach das eigene Ego aufzugeben, wunschlos zufrieden und glücklich zu sein, wie dies alle großen Weisheitslehren empfehlen, kommen sie nicht. Vielleicht (unbewusst) deshalb, weil damit die Gefahr für sie verbunden wäre, arbeitslos zu werden.

Das Zauberwort – „Erkenne dich selbst, so erkennst du die Welt!“

Wer harmonische, erfüllende Beziehungen zu seinen Mitmenschen verwirklichen will, muss vorerst den kennen lernen, der diese Verbindungen anstrebt. Mangelnde Kenntnis davon wer wir sind und wie unser „ICH“ funktioniert, ist die Ursache aller Beziehungsprobleme. Der „normale“ Mensch bildet sich ein zu wissen wer er ist, wie der andere ist und wie die Welt ist. In Wirklichkeit ist er in ein Netz von Gedanken über sich und seine Umwelt verstrickt.

Wie jeder rasch feststellen kann, wenn er versucht innerlich still zu sein, ist der Mensch im „Normal-Zustand“ einer ständig wirkenden Gedankenflut ausgesetzt. Wir denken nicht, sondern werden gedacht. Unser Denken geschieht automatisch. Man kann es deshalb als „Auto-Denken“ bezeichnen. Der unbewusste, „unerwachte“ Mensch ist ein Sklave von Gedanken, die auf ihn einwirken. Diese Gedanken erzählen ihm, wer er ist und wer die anderen Menschen sind und wie die Welt funktioniert. Und in der Regel sind diese Gedanken grundsätzlich falsch. Diese Gedanken entspringen Denk-Schablonen, welche die Menschen durch Jahrtausende hindurch entwickelt haben. Diese sind bereits in unseren Genen verankert und werden uns immer wieder aufs Neue anerzogen. Sie resultieren daraus, dass der gewöhnliche Mensch sich nur der vergänglichen Erscheinungen, nicht aber der unvergänglichen Wirklichkeit, von der diese Phänomene bestimmt werden, bewusst ist.

Unser gewöhnliches Denken ist die Ursache aller Beziehungs-Probleme

So seltsam, fremd und verrückt es für jene klingen mag, die stolz auf ihre Denkleistungen sind und die all das glauben, was ihnen ihr Denken erzählt, es ist unser gewohntes, automatisches Denken welches unsere Beziehungen belastet und uns unglücklich macht. Es verhindert natürliche, liebevolle Beziehungen, frei von Stress und Problemen.

Ob gut oder böse, verliebt oder gekränkt, was wir „über“ den anderen denken, trennt uns von ihm. Durch unsere Gedanken leben wir in getrennten Welten. Wir werden darauf noch näher eingehen.

Wer wir sind und wer der andere ist, mit dem wir in Beziehung stehen erschließt sich erst im „Nicht-Auto-Denken“ oder einfacher gesagt, im „Nicht-Denken“ in der Stille. Die „Rishis“ (alt-indischen) Weisheitslehrer nannten dieses Nicht-Denken „Yoga“. Dieses Yoga hat allerdings wenig bis gar nichts gemein mit dem in Mode gekommenen Hatha-Yoga, wie es im Westen praktiziert wird. Yoga im Sinne der altindischen Weisheitslehren bedeutet die Verbindung mit unserem Wesenskern, welcher identisch ist, mit der allumfassenden Gottheit (Brahman).

Liebe kann man nicht machen, sondern nur sein

Liebe kann man nicht „erarbeiten“. Liebe ist kein „Entwicklungsprozess“. Liebe braucht keine „Spielregeln“. Liebe kann man nur sein! Je mehr ich versuche Liebe zu machen, lieb zu sein (obwohl mir oft nicht danach zu Mute ist), desto weniger kann sich wahre Liebe entfalten.

Ich zitiere aus meinem Buch „Das Kleinod des Shankara“:

Viele glauben Liebe sei eine Mangelware. Sie sehnen sich nach Liebe, sie meinen um Liebe zu erlangen sich sehr anstrengen zu müssen oder dass die „große Liebe“ ein besonderer Glücksfall, so ähnlich wie ein Hauptgewinn im Lotto, sei.

In Wirklichkeit besteht das ganze sichtbare und unsichtbare Universum nur aus Liebe. Auch wenn es scheinbar anders aussieht: Du bist Liebe, alles ist Liebe. Wir können der Liebe gar nicht entkommen. Man kann das nicht beweisen, doch es bedarf keines Beweises, denn es ist augenscheinlich. Oder kann jemand daran zweifeln, dass unsere wunderbare, unfassbar schöne Welt, die Berge und Täler, die Blumen und Bäume, die Bäche, Flüsse, Seen und Meere, die Wolken, Winde und Jahreszeiten, die Tiere und Menschen aus unendlicher Weisheit, Schönheit und Liebe geboren wurden? Wie kann in dieser Welt etwas nicht Liebe sein? Nur der verirrte Mind (Denken, Fühlen, Wollen) schafft Dunkelheit. Diese hat aber keine Realität. Dunkelheit löst sich auf im Licht der Erkenntnis.

 

Wir können Liebe nicht „machen“. „Gemachte“ oder „erarbeitete“ Liebe ist weder möglich noch erforderlich. Wir sollten uns nur für das Sein, für unser Sein – welches identisch ist mit dem universellen Sein – öffnen. Dazu ist es vorerst erforderlich unsere Ausgangs-Situation, unser Ego-Denken mit seinen Mustern zu durchschauen. Denn Beziehungs-Probleme sind stets Ego-Probleme. Doch dazu mehr in den folgenden Essay-Briefen. Auch wollen wir uns in den folgenden Essaybriefen beispielsweise mit den Fragen auseinandersetzen:

 

Herzliche Grüße

Bernd