ESSAY-BRIEF

Essay-Brief Dezember 2019

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Die Befreiung von Denk- und Verhaltensmustern III

© Bernd Helge Fritsch

 

Der Weg der Befreiung

Zügellose Gedanken

Sind wir nicht „wach“ (gegenwärtig) genug, machen sich unsere angeborenen und angelernten Denkmuster und die mit ihnen verbundenen Gefühle selbstständig. Sie geraten außer Kontrolle und beherrschen uns. Dabei werden sie vorwiegend durch emotionale Erregungen wie Ärger, Eifersucht, Sorgen, Ängste, Wünsche und Erwartungen angeheizt.

Unbeobachtete Gedanken – egal ob sie emotional aufgeladen sind oder nicht – kreisen vorwiegend um Vergangenes und Zukünftiges. Sie verhindern unser Verweilen im gegenwärtigen Sein. Auf diese Weise verpassen wir das Leben, welches sich nur im ewigen „Jetzt“ ereignet.

Unbewusste Gedanken verhindern, dass wir unser wahres Wesen erfühlen und zum Ausdruck bringen. Stattdessen triften wir ab in eine unwirkliche, vom Denken beherrschte Welt. Unser natürliches „Erfahren“ der Welt, unser harmonisches „Eins-Sein“ mit der Welt, wird verdrängt durch unsere egozentrischen Gedanken „über“ die Welt.

Ego-Kommentare

Gedanken-Muster liefern fortlaufend „Ego-Kommentare“ wie beispielsweise: „Das ist eine Frechheit!“, „Das ärgert mich!“, „Das will ich! – Das will ich nicht!“, „Das habe ich nicht verdient, „Das ist ja schrecklich!“ „Ich möchte so erfolgreich und glücklich sein wie…!“ Solche Gedanken vernebeln und verzerren unsere Sicht auf das, was wirklich ist, auf das stets gegenwärtige Wunder des Seins.

Wir breiten auf diese Weise einen Schleier über die Welt, der uns ihre Schönheit, Weisheit, Liebe und Vollkommenheit verbirgt. Als Folge wirkt in uns ein permanentes, mehr oder weniger bewusstes Gefühl von Mangel und Unerfüllt-Sein.

Ein „guter Mensch“ sein wollen

Soweit den Menschen ihre Denk- und Handlungs-Muster bewusster werden, versuchen sie diese zu verändern, indem sie sich bemühen ihre „schlechten“ Gewohnheiten (Muster) durch „gute“ zu ersetzen. Ihr Bestreben geht dahin ein besserer Mensch zu sein.

Doch das funktioniert in der Regel nicht,

 

Ein „guter“ Mensch sein zu wollen, fördert Engstirnigkeit und Fanatismus. Im Grunde gibt es keine „guten“ oder „schlechte“ Menschen, sondern nur mehr oder weniger „bewusste“.

Wir befreien uns von unseren Ego-Gedanken nicht dadurch, dass wir versuchen ein „besserer“ Mensch zu sein, sondern indem wir „bewusster“ werden. Indem wir erkennen, welche dominierende Rolle unsere Denk-Muster in unserem täglichen Leben spielen; wie unser Unglücklich oder Glücklich-Sein nicht von unseren äußeren Lebens-Umständen, sondern von unserem Denken und Nicht-Denken bestimmt wird. Sodann ereignen sich die notwendigen Veränderungen in uns ganz von selbst.

Unsere Ego-Kommentare beenden

Für unseren Befreiungsweg gilt es in erster Linie auf unsere egozentrischen Kommentare zu den Ereignissen rund um uns zu verzichten. Wir lernen schlicht und einfach, freudig und gelassen wahrzunehmen was ist, ohne unsere ererbten und anerzogenen Denk-Muster darüber zu stülpen.

In der Regel fällt uns dies nicht leicht, denn seit Jahrtausenden sind wir Menschen gewohnt, reflexartig auf unsere Wahrnehmungen mit Bewertungen, Abneigung oder Verlangen, mit Ärger, Sorgen und Ängsten zu reagieren.

So leben viele Menschen mit der Einstellung: „Das Leben ist schwierig, es ist ein Kampf, den ich irgendwie gewinnen muss, denn sonst werde ich untergehen.“

Auf diese Weise erschaffen sie durch ihr Denken zuerst ihre Probleme und wollen diese sodann durch weiteres Denken wieder aus ihrer Welt entfernen. Sie versuchen, wie man so schön sagt, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben.

Trennung, Vereinsamung, Unglücklich-Sein entstehen durch Denken, durch Unterscheidung, Analyse, Bewertung. Statt die Mitmenschen so sein lassen und so zu lieben wie sie sind, neigen wir eher dazu ihnen unsere Meinung aufzudrängen. So streben wir gerne danach unsere Nächsten entsprechend unseren Vorstellungen und Wünschen umzuformen.

Der erste Schritt - Beobachten

Die Befreiung von unseren Denk- und Verhaltensmustern bedeutet vom Denken ins Sein zu kommen. Der Erste Schritt auf diesem Weg, auf dem Weg zum „Erwachen“, besteht darin dass wir uns immer wieder – möglichst fortlaufend – bewusst machen, welche Gedanken gegenwärtig in uns ablaufen. Wir beobachten insbesondere welche Ego-Gedanken, wie Ärger, Ängste, Sorgen, Frust, Begehren, Enttäuschung, Unzufriedenheit usw. und die damit verbundenen Gefühle unser Seelenleben bestimmen.

Dabei ist es sehr hilfreich und wirksam unsere Ego-Gedanken zu benennen und ihre negativen Folgen anzusprechen. Indem wir beispielsweise so mit uns selbst kommunizieren: „Da sind wieder deine ängstliche Gedanken!“; „Du malst dir unnötig aus, was alles schief laufen könnte!“; „Warum ärgerst du dich? Damit schadest du nur dir selbst!“; „Du bist nicht im Hier und Jetzt, sondern machst dir Sorgen was morgen sein wird!“; „Lass doch los von deinen Erwartungen und Ego-Wünschen!“; „Merkst du, wie du dich hetzt und dich dabei körperlich verspannst?“; „Du brauchst vor deinem Chef keine Angst haben! Gib einfach dein Bestes und überlasse alle Weitere dem weisheitsvollem Schicksal!“; „Denk nicht darüber nach, ob du geliebt, geschätzt und anerkannt wirst!“ „Sei nicht besorgt, wie die anderen über dich denken! Sie sind entweder Liebende oder ebenso wie du vorwiegend nur mit sich selbst beschäftigt!“

Und was vor allem sehr wichtig ist: Zum einen sollte unsere Selbstwahrnehmung ein möglichst sachliches, emotionsfreies Beurteilen unserer Gedanken sein.

Zum anderen nimm dabei dein Ego nicht so ernst und wichtig! Lerne über dich selbst zu lachen! Sei dir bewusst: Dieses Ego, diese Person ist nur eine vergängliche „Kopie“ von dem, was du wirklich bist.

 

Beharrlichkeit

Für erfolgreiche Selbstbeobachtung sind Mut, Achtsamkeit und Beharrlichkeit erforderlich.

Nur wenn wir immer wieder, den ganzen Tag, durch Wochen und Monate hindurch unser Innenleben beobachten, können wir uns von Jahrtausende alten Mustern befreien. Unsere Selbstbeobachtung sollte dabei fern von verkrampftem Bemühen, zu einer natürlichen, selbstverständlichen Gewohnheit werden. Sind wir ausdauernd dabei, werden wir bald die ersten Früchte unserer Bemühungen ernten.

Denn beharrliches Beachten unserer Ego-Gedanken lässt diese immer schwächer werden. Durch konstante Gedanken-Beobachtung werden wir innerlich ruhiger; unser Verstand wird klarer; wir leben intensiver; werden uns bewusster an Kleinigkeiten erfreuen; unsere Beziehungen gestalten sich harmonischer; wir empfinden unsere täglichen Aufgaben nicht mehr als Belastungen, sondern erkennen sie als Schule des Lebens; unsere Zweifel an dem was wir tun werden geringer und lösen sich schließlich mehr und mehr auf.

Und nun zu den weiteren beiden Schritten:

Zweiter Schritt – Reines Gewahrsein

Beim zuvor beschriebenen Beobachten und Ansprechen unserer Ego-Gedanken bleibt unser Denken noch aktiv. Im zweiten Schritt lassen wir immer mehr von unseren Gedanken-Spielen los und wechseln über zum „Reinen Gewahrsein“, zur gedankenfreien Wahrnehmung von dem, was uns unsere Sinne im jeweiligen Augenblick vermitteln.

Beispiel: Du sitzt ganz ruhig in einem Raum, oder in der Straßenbahn, oder du machst einen Spaziergang. Du hörst Geräusche, spürst deinen Atem, bemerkst vielleicht irgendwelche Gerüche, spürst deinen Rücken oder sonst einen Körperteil. Doch du reagierst nicht darauf. Du bleibst frei vom Denken.

„Reines Gewahrsein“ bedeutet meditatives „In-Sich-Ruhen“, „Nur-Schauen“, „Nur-Wahrnehmen“.

Alle Dualitäten enden, Raum und Zeit enden, Gestern und Morgen endet, Ego-Sein endet.

Durch schlichtes, gedankenfreies Gewahrsein entsteht tiefe Einsicht in unsere Wesenheit, in unser göttliches Sein.

Einfach nur bewusst Sein

Im Grunde ist unser Leben Gewahrsein – wir sind Gewahrsein. Wir sind nicht die Summe unserer Erfahrungen, denn sie bedeuten Vergangenheit. Sie bilden unser Pseudo-Ich. Wir sind gegenwärtiges Sein, höchste Präsenz und Achtsamkeit.

Ein erfülltes Leben in der Erscheinungswelt besteht darin, einfach hier und jetzt bewusst zu sein. Durch unsere Sinne wahrzunehmen was ist und keine Gedanken hinzuzufügen ist, bedeutet bereits Befreiung, bedeutet Glückseligkeit.

Unser Leben kann sehr einfach sein, wenn wir bloß sehen, hören, berühren, schmecken und riechen ohne unsere gedanklichen Ego-Kommentare hinzuzufügen. Auf diese Weise sind wir dem Strom des Lebens hingegeben und ruhen dennoch zugleich in uns.

Unser Sein jenseits von Werden und Vergehen

Wenn wir im Status des Beobachters und des Reinen Gewahr-Seins verweilen, befinden wir uns auf einer Bewusstseins-Ebene die sich unseren Sinnen und unserem Denken entzieht. Was wir gewöhnlich als unser „Ich“ bezeichnen, unser Körper, unsere Gedanken und Gefühle können wir wahrnehmen. Sie ereignen sich in der Welt der vergänglichen Formen.

Hingegen gehören der „Beobachter“ und ebenso unser „Reines Gewahrsein“ einer Daseins-Dimension jenseits von Raum und Zeit, von Kausalität, Werden und Vergehen an. Wir können sie mit unseren Sinnen nicht wahrnehmen. Denn wie alles „Wirkliche“ und „Dauerhafte“ sind sie unsichtbar. Sie treten nicht als Objekte in Erscheinung, sondern sie entsprechen unserem „Subjekt“, welches für sein ewiges Sein keinerlei „Objekte“ benötigt.

Somit befinden wir uns als „Beobachter“ und bei „Reiner Wahrnehmung“ bereits unmittelbar in der Dimension des „Höchsten“, im Reich des „Reinen Bewusstseins“.

Dritter Schritt – reines Bewusstsein

Wenn alle Gedanken und Wahrnehmungen schweigen und wir dennoch hellwach und total gegenwärtig sind, treten wir in diesen höchsten Bewusstseins-Zustand, ein. Dieser Zustand spottet jeder Beschreibung. Worte können nur hindeuten auf diese Bewusstseinsebene. Wir können sie – wie schon zuvor angesprochen – nicht beobachten, nicht beschreiben, sondern nur sein.

Um diese Ebene zu verwirklichen sind totale Präsenz und höchste Achtsamkeit erforderlich. Unser Ego, unser Wollen schweigt; kein Widerstand regt sich gegen das Sein, wie es sich gegenwärtig ereignet.

Damit öffnest du dein Herz für das Selbst. Du bemerkst, wie da auf einmal kein Ich mehr da ist, welches hört, fühlt, riecht, sich bewegt. Da ist nur mehr Sehen, Hören, Fühlen, Riechen oder Bewegen, aber keiner der sieht, hört, fühlt, riecht… da ist nur mehr „Erfahren“, nur mehr glückseliges, befreites „Sein“ ohne eine Person, die sich einbildet etwas zu tun oder „dies“ oder „das“ zu sein. Unser Ego hat sich in ein friedvolles „Nicht-Ich“, in ein „Nichts und Alles“ verwandelt.

Nur verweilend im „Nicht-Ich“ haben wir die Möglichkeit mit unseren Mitmenschen eine ego-lose Beziehung von Herz zu Herz einzugehen. Nur so können wir die Kluft zwischen uns und den anderen, zwischen uns und der Welt aufheben. Nur dann können wir beglückendes „Eins-Sein“ mit dem, was ist und dem, was wir selbst sind, erfahren.

Solange unsere eigentliche Wesenheit mit einem Körper und einem Mind verbunden ist, lässt sich dieser Bewusstseins-Zustand nur für einen beschränkten Zeitraum aufrecht-erhalten. Doch die Erfahrung dieses höchsten Seins wird unser weiteres äußeres und inneres Leben wie eine leise, wärmende, beglückende, Zuversicht und Geborgenheit spendende Hintergrund-Musik begleiten.

Durch unser Verweilen im „Nicht-Ich“ heben wir nicht ab, verlieren wir nicht den Bezug zum „praktischen“ Leben. Sondern im Gegenteil: unsere Verbindung mit dem „Selbst“ lässt uns viel klarer erkennen, was zu tun und was zu unterlassen ist. Sodann geht uns was zu tun ist, leicht von der Hand.

Zufriedenheit mit dem was uns das Schicksal schenkt, totales Vertrauen in die Vollkommenheit, Weisheit des Seins stellen sich ein.

Eine besinnliche und frohe Advent-Zeit

sowie alles Gute für das neue Jahr

wünscht Euch von Herzen

Euer Bernd