ESSAY-
Essay-
Ist die Welt gut so wie sie ist?
© Bernd Helge Fritsch
Was die erscheinende Welt anbelangt, gibt es nicht „die Welt“ sondern viele Welten,
die jeder Mensch für sich durch seine „Sicht“ der Dinge, durch seine Denk-
Vielleicht kennt ihr die Geschichte von einem weisen Mann, der in einem kleinen Dorf in China lebte. Sein einzig erwähnenswerter Besitz war ein großer, wunderschöner schwarzer Hengst. Doch eines Tages war dieser Hengst aus seiner Koppel ausgebrochen und ward nicht mehr gesehen. Da kamen die Nachbarn herbei und bedauerten den Weisen mit Worten wie: „Das ist ein fürwahr schreckliches Unglück!“ Der Mann antwortete nur: „Ist das so?“ Es vergingen eineinhalb Jahre. Eines Tages dann kehrte der schwarze Hengst zurück zum Hof des weisen Mannes und brachte mit sich eine große Herde von wilden Pferden, deren Leittier der Hengst in der Zwischenzeit geworden war. Jetzt war der Mann in den Augen seiner Nachbarn gesegnet und reich und sie kamen zu ihm und sagten: „Was für ein unwahrscheinliches Glück du hast!“ und der Mann antwortet wieder nur: „Ist das so?“
Der Weise hatte einen einzigen, bereits erwachsenen Sohn. Dieser wurde nun zu einem begeisterten Reiter. Eines Tages jedoch stürzte er von einem Pferd und zog sich einen schweren Beinbruch zu, welcher nur mangelhaft verheilte, sodass er beim Gehen für sein Leben lang erheblich behindert blieb. Da kamen wieder die Dorfbewohner und sagten: „Oh, wie schlimm ist das!“ und der Weise antwortete wieder: „Ist das so?“ Ein Jahr nach dem Unfall des Sohnes brach ein Krieg aus und alle gesunden Männer des Dorfes mussten zum Militär einrücken. Nur der Sohn des Weisen wurde wegen seiner Behinderung verschont. Nur wenige von den Männern, die eingerückt waren, überlebten den Krieg.
Der Verstand des gewöhnlichen Menschen steht unter einem magischen Zwang, alle Dinge,
Ereignisse und vor allem die Mitmenschen zu analysieren, zu beurteilen (oft auch
zu „ver-
Richtig verstanden, hat nicht „Gott“ sondern das neue Bewusstsein, mit seinem zwanghaften
Bewerten von „gut“ und „böse“ den Menschen aus dem „Paradies“, aus der „Einheit“
mit allem Sein vertrieben. Jetzt befindet sich die Menschheit in der „Zwei-
Doch der Mensch will gar nicht auf die Unterscheidung von „gut“ gut und „böse“ verzichten.
Denn natürlich ist er bei der Bewertung von anderen, bei der Bewertung seines Schicksals,
bei der Bewertung der Welt, immer der „Gute“, der „Arme“ oder der „Glückliche“, je
nachdem ob er oder andere leiden. Das stärkt ungemein sein Ego-
Es gibt kein „gut“ und „böse“ auf dieser Welt – außer im Denken der Menschen. Es
gibt nur lebens-
Selbst den größten Verbrecher trifft keine „Schuld“, sondern er leidet an grober Unwissenheit. Je größer die Unbewusstheit desto mehr Leiden für sich und andere verbreitet er. Natürlich sollten wir, so gut es geht verhindern, dass gestörte und unwissende Menschen Leid verursachen. Die beste Vorsorge diesbezüglich besteht allerdings darin, selbst bewusster zu werden, selbst sein „Ego“ aufzulösen, selbst Vorbild zu sein.
Der geistige Verlust des „Eins-
Mit dem „Nicht-
Krishnamurti erklärte im hohen Alter anlässlich eines Vortrages: „Wollt ihr mein Geheimnis wissen? Ich habe nichts gegen das, was geschieht!“ Mit diesen Worten bringt er seine Harmonie mit dem Sein, mit dem Leben, wie es ist, zum Ausdruck.
Trennung entsteht aus Beurteilung, Widerstand, Angst und Begehren. Im Zustand des
reinen Gewahr-
Wenn wir eine Landschaft betrachten, so können wir mit ihr nur dann Eins sein und
ihre wahre Schönheit einatmen, wenn der Verstand schweigt, wenn wir unser Ego vergessen,
wenn wir nicht an Gestern und Morgen denken, wenn wir ganz dem Augenblick hingegeben
sind. Sobald das Denken und Bewerten einsetzt, geht der Zauber des Eins-
Das gleiche gilt, wenn wir einem Menschen begegnen. Gewöhnlich nehmen wir den anderen
in seiner umfassenden Vollkommenheit gar nicht wahr. Die Sinne und der Verstand zeigen
uns nur irgendwelche Details, welche wir bewerten. Wie wir gewöhnlich über andere
denken, wie wir andere beurteilen, sagt viel über uns selbst aus und wenig über den
anderen. Durch unser Denken erfassen wir – wenn überhaupt -
Natürlich müssen wir für unsere täglichen und nicht alltäglichen Entscheidungen bewerten zwischen nützlich und unnütz, schädlich und lebensfördernd. Doch davon unterscheidet sich das psychologische, die Seele belastende, Angst machende, trennende, unnütze und lebensfeindliche Urteilen im Sinne von „gut“ und „böse“. Auch im Bereich der notwendigen Entscheidungen kommen die wirklich lebensfördernden, kreativen Ideen nicht aus dem gewöhnlichen vorprogrammierten Denken, sondern aus der Stille, aus dem Raum jenseits des Verstandes.
Zurück zur Fragestellung, ob die Welt gut ist, wie sie ist. Um diese Frage zu beantworten
muss vorerst geklärt werden, von welcher Welt wir sprechen – meine, deine, die kollektive?
Die „individuelle Welt“ entsteht wie die Welt im Traum. Wir selbst erschaffen das
Geschehen im Traum aus Erinnerungen, die in unserem Unterbewusstsein gespeichert
sind. Und wir halten im Traum diese Welt für absolut real. Erst wenn wir erwachen,
erkennen wir die Illusion des Traums. Ähnlich ist es mit unseren Vorstellungen über
„die Welt“ im sogenannten Wachzustand. Sie unterscheiden sich gewöhnlich nicht viel
von Träumen. Der „normale Mensch“ befindet sich vorwiegend im sogenannten „Tagtraum“.
Unser duales, bewertendes, vom Unterbewusstsein konditioniertes Denken gaukelt uns
gemeinsam mit unseren beschränkten Sinnesorganen eine Welt vor, von deren Realität
wir total überzeugt sind. Und viele schaffen mit ihrem Denken und urteilen eine Welt
voller Probleme und Schwierigkeiten. Sodann glauben sie an diese Welt und wollen
schließlich die Probleme mit dem Denken -
Erst wenn wir aus dem „Tagtraum“ erwachen, löst sich die Vorstellung von einer guten oder schlechten Welt auf und wir erkennen die Einheit, Weisheit, Schönheit und Vollkommenheit der wahren, von Liebe getragenen Welt. Besser gesagt wir „erkennen“ nicht die Vollkommenheit der Welt, sondern wir sind eins mit der wirklichen Welt.
Der gewöhnliche Mensch sieht vorwiegend nur seine eigenen Bilder, seine Projektionen,
seine Bewertungen wenn er in die „Welt“ blickt. Er übersieht dabei sich selbst. Und
so kommt es, dass er seine Projektionen für die Wirklichkeit hält. Erst wenn wir
uns selbst erkennen, uns selbst begegnen, eins werden mit uns selbst, können wir
auch den Raum, die Dimension jenseits der Erscheinungen erfassen. Dann zeigen sich
der relative Wert und die Bedeutung der erscheinenden Welt. Und es wird klar, – so
komisch und verrückt sich das für den dualen Verstand anhört -
Viel Freude dabei wünscht dir
Bernd Helge Fritsch