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Essay-Brief Mai  2011

Ist unser Schicksal vorherbestimmt?

Was bedeutet Karma?

Gibt es eine Reinkarnation?

© Bernd Helge Fritsch

 

Die Fragen:

   „Worin besteht der Sinn meines Lebens?

   Wieso erfahre ich gerade dieses Schicksal?

   Gibt es für mich eine weitere Existenz nach meinem Tod?“

 

gehören wohl zu den zentralen Themen unseres Daseins. Man kann diese Fragen aus Dumpfheit ignorieren oder sich damit abfinden, dass es dazu ohnedies keine Antworten gibt. In der Regel erwacht ein Interesse für diese Fragen am ehesten durch schwere Schicksalsschläge, intensives Leid oder wenn die Zeit des Abschiedes von dieser Erde für mich oder nahe Angehörige gekommen ist.

 

Die westliche Kultur ist seit Jahrhunderten geprägt von den Glaubensdogmen der christlichen Kirchen. Diese erklären:

 

Ein christlicher Bischof in Süddeutschland erklärte vor einiger Zeit in einer Fernsehsendung:

„Das einzige was ich bei meinem Tod mitnehmen möchte, ist mein Taufschein. Er ist der Passierschein zum Himmel!“

 

Folgt man den christlichen Dogmen, so ist der Mensch ein ziemlich unfreies, kleines Würstchen. Er kommt ohne sein Zutun auf die Welt; Er ist schuld an einer Erbsünde, zu der er keinen Bezug hat; Er durchlebt ein Schicksal, für das er nicht verantwortlich ist; Er wird, in der Regel, ohne dass er gefragt wird, getauft; Und solange er beim „Kirchen-Verein“ dabei bleibt, ist seine Seele gerettet.

Der „normale“ westliche Mensch, ob Mitglied einer christlichen Kirche oder nicht, kümmert sich wenig um Glaubensdogmen. Dennoch sind seine Denk-, und Verhaltensmuster von diesen stark beeinflußt. Er hat Angst vor dem Tode und denkt in etwa so: „Es gibt für mich nur ein Leben. Deshalb versuche ich für mich und für jede Menschen, die mir nahe stehen, in diesem Leben das Maximum an Wohlstand und Vergnügungen herauszuholen. Was nach dem Tode kommt, weiß ich nicht. Doch sicherheitshalber glaube ich an Gott und Jesus. Ich bin zwar beiden nie begegnet. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich nichts über sie und was die Kirchen behaupten, hilft mir auch nicht viel weiter.“

Jeder Mensch sollte sorgfältig in sich hineinhorchen nachdem er sich die Frage gestellt hat: „Habe ich die Freiheit mein Leben, meine Zukunft entscheidend (mit)- zu gestalten? Kann ich mein „gewöhnliches“ Leben in ein „außergewöhnliches“ verwandeln? Kann ich mein Schicksal zumindest mit-bestimmen?

Die hinduistische Weisheitslehre und die auf ihr basierende buddhistischen Lehre vertreten die Ansicht, dass der Mensch sein Schicksal (Karma) selbst verursacht. Er trägt Verantwortung für sein jetziges Leben und für sein Leben danach. Für Hindus und Buddhisten besteht kein Zweifel darüber, dass die Seele des Menschen solange im Samsara (Rad des Werden und Vergehen) gefangen ist, bis er bereit ist, sich selbst zu befreien. So erklärt Shankara im „Kleinod der Unterscheidung:

„Wenn ein Mensch vom großen Haifisch der Unwissenheit verschlugen wird, treibt er nach oben und unten im grenzenlosen Ozean des Samsara. Welch trauriges Schicksal!“

 

Auch die altgriechischen Philosophen wie Pythagoras, Empedokles und Platon vertreten die Ansicht, dass die Seele sich nach dem Tode wieder verkörpert, wobei der neue Körper und seine Lebensumstände vom Verhalten im Vorleben bestimmt sind. In der frühchristlichen Kirche war der Glaube an die Wiedergeburt, insbesondere durch den Einfluss der Philosophie Platons, stark verbreitet. In der Folge wurden jedoch diese Vorstellungen von der offiziellen christlichen Kirche abgelehnt.

Um Karma und Reinkarnation zu verstehen, müssen wir nicht sehr weit gehen. In einem gewissen Sinn bedeutet jedes morgendliche Erwachen eine Reinkarnation.  Wieder schlüpfen wir in unseren Körper, wieder aktivieren wir unsere Gedanken–, Gefühls– und Verhaltensmuster. Wieder frischen wir altes Karma auf und begründen neues. Wie wir heute, oder besser gesagt JETZT, denken, entscheidet, ob unsere folgenden Gefühle und Lebensumstände mehr „himmlisch“ oder „höllisch“ sind. Wendest du deinen Gedanken der Schönheit, der Liebe, der Fülle des Lebens zu, bist du sofort im „Himmel“. Machst du dir Sorgen, lebst du mit Menschen im Unfrieden, läßt du deine Gedanken ohne Kontrolle in der toten Vergangenheit und in der (noch) nicht vorhandenen Zukunft herumkreisen, so bratest du bereits in der „Hölle“.

Nur durch achtsames Beobachten unserer inneren Muster, können wir aus diesem Hamsterrad aussteigen. Nur durch beständige Achtsamkeit auf unsere Gedanken und Gefühle, verändert sich unser Schicksal zum Guten. Wobei es zwar zu Beginn dieses Weges hilfreich ist „positiv“ zu denken. Noch wirkungsvoller ist es, sowohl im Alltag als auch in Zeiten der Kontemplation und Meditation einfach den ständigen Strom von Gedanken in unserem Gehirn abzuschalten, einfach nicht zu denken, wenn Gedanken nicht notwendig sind, einfach innerlich mehr still zu werden.

Wenn wir innehalten, stille werden, öffnet sich der Raum jenseits von Gedanken. Dort befindet sich der „Himmel“ oder anders gesagt der „Christus oder Buddha oder Brahman in dir“. Bist du mit dieser Dimension verbunden sind alle Fragen über Karma, Wiedergeburt und Befreiung beantwortet.

 

Shankara erklärt im „Kleinod“:

„Die Erkenntnis der eigenen untrennbaren Identität mit Brahman (allumfassende Gottheit) bedeutet die Befreiung vom Kreislauf der Wiedergeburten.“

 

In diesem Sinne ist auch die Aussage von Jesus (Johannes 5,24) zu verstehen:

„ Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, kommt nicht ins Gericht, sondern ist schon von den Toten zu den Lebenden übergegangen.“

 

Die Toten, von denen Jesus spricht, entsprechen den, in ihren Gedanken-Mustern gefangenen Menschen. Diese Menschen sind dem „Karma–Gericht“ unterworfen. Sie müssen in diesem und im nächsten Leben die Folgen ihres Verhaltens auf sich nehmen. Doch wer, wie Shankara erklärt, seine Identität mit Brahman erkennt, der ist schon (JETZT) vom Samsara (Rad der Wiedergeburt) befreit und „von den Toten zu den Lebenden übergegangen“.

Das „Kleinod der Unterscheidung“ des Shankara ist wirklich eine Quelle der Freude und Lebensweisheit. Es ist derzeit keine Ausgabe in deutscher Sprache erhältlich. Mein neues Buch „Das Kleinod des Shankara“ ist bereits brandneu im Buchhandel erhältlich. Diese Schrift beinhaltet eine moderne Übersetzung des „Kleinods“ und eine umsichtige Auswahl der ursprünglich 580 Sanskrit–Verse. Auf Wiederholungen und Aussagen, die nicht unserem Zeitgeist entsprechen, wurde verzichtet. Zum besseren Verständnis des rund 1100 Jahre alten „Juwel“ des Shankara, habe ich zu vielen Versen Erläuterungen angefügt.

 

Mit herzlichem Gruß

Bernd Helge Fritsch