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Essay-Brief August - September 2011

Was ist Liebe? -2

© Bernd Helge Fritsch

 

Im letzten Erfolgsletter habe ich zum Thema „Liebe“ aus meinem neuen Buch: „Das Kleinod des Shankara“ zitiert. Hier findest du eine Fortsetzung dazu:

 

Shankara:

200. Wenn im Herzen der Knoten der Unwissenheit zerstört ist, dann endet jedes Bedürfnis nach egoistischen Handlungen, dann offenbart sich Brahman als Liebe und Glückseligkeit.

 

Kommentar:

Das Universum ist aus Liebe geboren! Wir benötigen keinen „Gegenstand“ den wir lieben, um Liebe zu sein. Liebe braucht keine Gegenliebe.

Sie hat nicht die Absicht etwas Gutes zu tun. Sie strahlt einfach aus, was sie ist. Dadurch ist sie vollkommen frei. Sie benötigt niemand, der ihre Liebe empfängt oder erwidert. Sie hat keine Erwartungen und so kann sie auch nicht enttäuscht werden. Sie ist einfach Freude und Schönheit und strahlt dies sorglos aus.

Die Sonne leuchtet auch auf Landstriche, wo es kein Leben gibt. Der Baum spendet immer Schatten, auch wenn niemand da ist um sich an seiner Blätterkrone zu erfreuen. Die Rose schenkt jedem ihre Schönheit, ihren Duft.

Liebe hat nicht die Absicht jemanden etwas Gutes zu tun. Sie ist nicht stolz auf ihre Verdienste. Liebe gibt unabhängig von Lob, Dankbarkeit oder Anerkennung. Sie gibt, weil sie Freude hat zu geben.

Liebe ist ohne Erwartung. Sie will niemanden besitzen, will niemanden abhängig machen und niemanden kontrollieren. Liebe ist im Einklang mit dem Sein, wie es ist.

Liebe kümmert sich nicht darum, ob sie wohl gut genug und verdienstvoll genug ist. Sie hat keine Angst jemanden nicht zu gewinnen oder ihn zu verlieren. Auf diese Art ist Liebe eins mit dem großen Frieden.

 

255. Ein Kind spielt hingegeben mit seinen Spielsachen und vergisst dabei Hunger und Sorgen. Ebenso erfreut sich der Erwachte am Sein und ist nicht mehr belastet von Ideen wie „Ich“ und „mein...“.

 

Grundlose Liebe kennt kein „Ich“ und „mein...“.

Wirkliche Liebe hat keinen Grund, sie hat kein weil…

Wenn ich liebe, „weil mir jemand oder etwas gefällt“; „weil jemand zu mir freundlich ist, mich versteht, mich lobt“, so ist dies nur eine Reaktion auf Angenehmes. Es ist kein Fehler sich über Lob zu freuen und es ist sinnvoll und schön anderen Anerkennung zu schenken. Doch von Lob abhängig zu sein, zerstört die Liebe. „Grundlose Liebe“ braucht keine Ursache, kein Objekt.

 

Liebe kann sich nur dort entfalten, wo das ängstliche Ego schweigt. In der „Hingabe“ entsteht Raum für die Liebe. In der Hingabe finden wir uns selbst.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Hingabe: Hingabe an eine Aufgabe, Hingabe an die Schönheit der Natur, Hingabe an Menschen. Wir können uns hingeben an ein Gespräch oder bloß an den gegenwärtigen Augenblick.

Liebe bedeutet sein Ego zu verlieren. Es bedeutet die Erwartungen, Wünsche, das Begehren und Anklammern, die Ängste und Hoffnungen aufzugeben. Deshalb meiden manche Menschen eine tiefe Beziehung.

Es gibt zwei Arten von „Liebe“. Bei der einen will das Ich etwas für sich haben. Es will gelobt, geliebt und begehrt werden. Es verlangt, dass der andere seine Erwartungen befriedigt. Deshalb ist diese Liebe ängstlich und eifersüchtig. Kaum verhält sich der andere nicht so, wie das „Ich“ es will, macht sich Enttäuschung breit und das Herz bekommt einen Riss, einen Schmerz, der die weitere Beziehung belastet. Dann kann es leicht sein, dass die Liebe von einem Moment zum anderen in Zorn, Ärger oder Verbitterung umschlägt.

In einer wahren Beziehung begegnen sich zwei „Nicht–Ich“. Für diese Ichs gibt es keine Erwartungen und keine Enttäuschungen. Die Ego–Liebe sehnt sich nach dieser bedingungslosen, umfassenden Liebe, doch zugleich will sie nicht auf ihre eigenen Wünsche und Sorgen verzichten. Loslassen bedeutet für sie den Verlust ihres Ego–Gefühls. Sie klammert sie sich eher an Hoffnungen und erleidet entsprechende Enttäuschungen, als sich dem Nichts und Alles zu übergeben.

Wenn das Ich nur wüsste, dass es alles bekommt, wenn es von allem loszulassen vermag. <<

 

Joko Beck: >Nicht-Ich< bedeutet nicht, dass man ausgelöscht wäre oder nicht existiere. Es heißt weder egozentrisch noch auf die anderen zentriert sein, sondern einfach zentriert sein.

 

Wenn die Erwartungen, die Sehnsüchte, die mit der Liebe verbundenen Verstrickungen, Leidenschaften und Dramen sich auflösen, so bedeutet dies nicht flache oder lauwarme Gefühle. Ganz im Gegenteil, erst wenn sich die Wellen an der Oberfläche des Mind (Denken, Fühlen, Wollen) glätten, sind wir in der Lage tiefer in das Wasser des Lebens hinein zu schauen und unser Herz vollkommen zu öffnen.

Wie wir aus obigen Texten erkennen können, bedeutet unser Ego das größte Hindernis auf dem Weg zu tiefen, anhaltenden Liebensgefühlen, auf dem Weg zu uns selbst, auf dem Weg zur Verbindung mit allem Sein (Yoga-Weg). Wir können Liebe weder „machen“ noch „haben“. Es genügt das „kleine Ich“ zu durchschauen.

Dieses Ich loszulassen und dennoch seine Identität zu bewahren, ist bekanntlich nicht so einfach. Mit Selbstverleugnung, Kampf und Kasteiung wird das Ego nur noch stärker. Sogar „besser sein wollen als man ist“ kann eine Egofalle sein. Wir erkennen in diesem Fall nicht, dass wir im Grunde unseres Wesens bereits vollkommen sind. Wenn das „kleine Ich“ mit seinen Vorstellungen von „gut“ und „böse“ sich und die Welt verbessern will, so wird es Unheil anrichten und letztlich scheitern.

Befreiung wird nur erlangt, wenn wir das Ego liebevoll sein lassen wie es ist, beobachten und erkennen wie es ist, und es lieben wie es ist. So setzen wir wichtige Schritte zu einer höheren Bewusstseinsstufe. Dann wird unser Ego sich von selbst verändern und den richtigen Platz in unserem Erdendasein einnehmen. Shankara und andere seriöse Weisheitslehrer wie Patanjali, Krishnamurti, Eckehart Tolle und ebenso christliche Lehrer wie Jesus, Meister Eckehart, Angelus Silesius zeigen uns auf, wie wir sicher und ohne esoterische Verirrungen unser Bewusstsein erweitern können. Darüber werde ich in den nächsten Rundbriefen/ Erfolgslettern mehr berichten.

 

Mit herzlichem Gruß

Bernd Helge Fritsch