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Essay-Brief Oktober 2012

Unperfekt und dennoch glücklich & vollkommen!

© Bernd Helge Fritsch

 

Alle Menschen sind, bewusst oder unbewusst, auf der Suche nach einer heilen Welt, nach dem Paradies auf Erden. Jeder möchte ein anhaltend glückliches Leben führen. Hinter jeder Handlung steckt das Bedürfnis gute Gefühle zu erlangen und schlechte zu vermeiden. Das ist soweit natürlich, verständlich und gut so. Doch das Problem besteht darin, dass kaum jemand dieses Paradies auf Erden findet. Die meisten laufen ständig hinter dem Glück her. Sie vermeinen das Glück dann zu erreichen, wenn sie dieses oder jenes bekommen: den Traumpartner, liebe Kinder, beruflichen Erfolg, ein eigenes Haus, viel Geld usw. Doch alles, was wir in der äußeren Welt erfahren, erweist sich als unzulänglich, unbefriedigend, behaftet mit vielen Problemen und letztlich als vergänglich.

Das heutige Leben bietet uns scheinbar unzählige Möglichkeiten das Glück zu erreichen. Man muss nur den Fernseher anschalten, in einer Illustrierten blättern oder gewisse Bücher lesen um gezeigt zu bekommen, wie berühmt, reich und glücklich anscheinend andere sind und um zu erfahren wie man selbst angeblich dieses Glück erlangen kann. Aus der Suche nach dieser Art von Glück resultieren der Wahnsinn, die Hektik und die Unruhe des heutigen Wirtschafts- und Freizeit-Strebens. Es ist die Suche nach diesem Glück, die unweigerlich unglücklich macht.

Alle Erscheinungen dieser Welt sind unperfekt. Es gibt keine perfekten Eltern, keine perfekten Lehrer, keinen perfekten Partner, keine perfekten Kinder. Es gibt nicht den perfekten Arbeitsplatz, den perfekten Wohnsitz, die perfekte Gesundheit. Wir selbst schließlich haben so manche Schwäche, die wir zuweilen schwer ertragen können. – Und das ist gut so!

Wer Perfektheit dennoch anstrebt, muss notweniger Weise scheitern. Wer fehlerlos und von allen geliebt sein will oder wer sich durch die scheinbare Mangelhaftigkeit dieser Welt gestört fühlt, handelt sich damit nur Ärger, Stress, Burnout und Depressionen ein. – Und auch das ist gut so!

Soweit wir die Welt mit unserem dualen Verstand betrachten, hat alles seine Vor- und Nachteile. Sogar die Sonne schenkt uns nicht nur Licht und Energie, sondern verursacht auch Dürre und Unwetterkatastrophen.  Aus dualer Sicht sind Ereignisse wie Erdbeben, ein Tsunami oder Kriege „schrecklich“. Aus der Sicht der Sonne oder des Universums sind alle Erscheinungen im Werden und Vergehen begriffen. Täglich werden unzählige Wesen geboren, täglich sterben hundert-tausende. - Und auch das ist gut so!

Trotz aller Unperfektheit ist alles vollkommen, so wie es ist! Eingebettet in diese Vollkommenheit des Universums ist unser Weg in diesem Erdenleben. Wir haben uns unsere Eltern ausgesucht, wir haben den Ort gewählt an dem wir geboren wurden, den Körper bestimmt, der uns für dieses Leben begleiten soll. Wir sind verantwortlich für unsere Fähigkeiten und Talente, wir haben entschieden welche Menschen uns umgeben… Jeden Tag aufs neue bestimmen wir durch unser Denken und Handeln unsere künftigen Erfahrungen, unser Schicksal. Dieses Schicksal, wie immer es aussehen mag, ist jederzeit vollkommen. Es macht keine Fehler! Glückliche Erfahrungen beschenken uns, leidvolle dienen uns. Denn gerade die leidvollen sind die stärksten Impulsgeber um aus einem unwirklichen Traum zu erwachen und längst anstehende Entwicklungsschritte zu vollziehen.

Die Vollkommenheit der Welt ist nicht leicht zu begreifen. Sie zu erkennen erfordert ziemlich viel Achtsamkeit und inneren Frieden. Solange wir über dies und jenes schimpfen, uns ärgern, uns Sorgen machen, haben wir nichts verstanden und werden noch einen langen Weg gehen müssen.

Die äußere Welt ist der Spiegel unserer Seele. Dies aus zwei Gründen: Einerseits, weil wir die Welt so sehen, wie wir sie beurteilen – optimistisch oder pessimistisch, liebevoll oder verärgert, angstvoll oder vertrauensvoll. Zum anderen ziehen wir grade das magisch in unser Denken, Fühlen und Erleben hinein, was wir ablehnen, bekämpfen und verurteilen.

Das gewöhnliche Streben nach dem Glück besteht einerseits darin „mehr“ von dem zu bekommen, was uns gefällt, von dem wir erwarten, dass es uns Glücksgefühle schenkt. Andererseits reagieren wir in der Regel mit einem reflexartigen inneren Widerstand, gegenüber all dem,  was uns nicht gefällt. Auf diese Weise  sind Ärger, Sorgen, Enttäuschung, Ängste, zwanghaft kreisenden Gedanken und innere Unruhe unausweichlich vorprogrammiert.

In unseren Glückserfahrungen, ausgelöst durch äußere Umstände, spiegelt sich unser wirkliches Sein. So wie jedes Schönheits-Empfinden dem Auge des Betrachters entspringt, so stammt auch jedes Glücks-Empfinden aus unserem Wesensgrund. Die Dinge und Ereignisse um uns „beinhalten“ kein Glück. Sie „bringen“ uns kein Glück. Unsere Sehnsucht nach „mehr“ Glück, ergibt sich aus dem, meist nicht bewussten, Bedürfnis das zu verwirklichen, was wir, meist tief in uns verborgen, wirklich sind, nämlich Liebe, Weisheit und Glückseligkeit.  

Wenn wir uns unglücklich fühlen, wenn wir leiden, so ist die Ursache stets in unserem begrenzten Denken, in unerfüllten Wünschen, in Sorgen und in der Ablehnung des Seins, wie es ist, zu finden. Unerfreuliche Ereignisse und heftige Schicksalsschläge, denen wir begegnen, sind aus der Sicht des Universums weder „zufällig“ noch sind sie als karmische „Strafe“ gedacht. Sie sollten uns auch nicht zum Selbstbedauern oder zum Hadern mit dem Schicksal anregen. Sie sind als weisheitsvoller Anstoß vorgesehen, damit wir uns auf den Weg zu uns selbst, zu der, jedem Menschen innewohnenden Glückseligkeit machen.

Die duale Erscheinungswelt ist vollkommen in ihrer Unperfektheit. In dieser Welt verdankt das Gute seine Existenz dem Nicht-Gutem, das Schöne dem Hässlichen, das Licht der Dunkelheit. Das Eine ist nicht ohne das Andere erkennbar. Das Unperfekte regt uns an über diese Gegensätze hinaus zu gehen, indem wir uns selbst und damit „unsere Welt“  transformieren. Auf diese Weise offenbart sich der Sinn des Unperfekten. Nur in dieser unperfekten, doch zugleich vollkommenen Welt hat der Mensch die Freiheit der Erkenntnis, die Freiheit der Entscheidung, die Freiheit sich für eine höhere Bewusstseinsebene zu öffnen.

Der „normale“ Mensch liebt nicht das Sein, wie es ist, sondern sein Konzept, sein Wunschdenken wie seine Mitmenschen, die Umwelt und er selbst sein sollen. Ausgehend von seinen angeborenen und angelernten Konzepten entscheidet er was „gut und böse“ ist, was er als „angenehm und unangenehm“ empfindet und was er „will oder nicht will “. Läuft etwas nicht nach seinem Konzept, so lehnt er sich innerlich dagegen auf. Er ist missgelaunt, er ärgert sich, er entscheidet – ohne dass es ihm bewusst wird – unglücklich zu sein. Durch seinen inneren Widerstand gegen das, was ist, verändert sich seine ursprünglich hohe Energie-Frequenz. Sein Denk- und Gefühlsvermögen trübt sich ein. Eine Atmosphäre von „Nicht-Liebe“ in und um ihn entsteht. So schafft der Mensch sein Ego. Aus einem liebevollen, grenzenlosen und allumfassenden Wesen bildet sich ein von der übrigen Welt isoliertes, engherziges, aus Materie und Gedanken bestehendes kleines Ich.  

Zusammenfassend können wir das Prinzip des Glücklich- oder Unglücklich-Seins so beschreiben:

Alles was wir akzeptieren, annehmen, lieben macht uns weit und glücklich. Umgekehrt entstehen Enge, Angst, Sorge, Unlustgefühle, Depressionen durch Ablehnung und Nichtliebe von dem was ist.

Durch Akzeptanz, durch Widerstandslosigkeit, durch Annehmen was ist, heben wir unsere Begrenzungen auf. Die Seele dehnt sich aus, sie wird zu dem was sie schon immer ist: Liebe, Unbegrenztheit, dynamische Stille, Weisheit, Glückseligkeit und Vollkommenheit. Wenn wir uns radikal für Liebe und Akzeptanz entscheiden, eröffnen wir uns den zeitlosen, unbegrenzten Raum hinter den dualen Erscheinungen. Wir erfahren unsere Einheit mit dem Ursprung alles Seins. Damit findet alles Leiden sein Ende und das Paradies beginnt.

Dabei zu beachten ist, dass radikale Akzeptanz und liebevolle Hingabe an das Sein nicht bedeutet, dass wir uns alles gefallen lassen, dass wir Ungerechtigkeit dulden, dass wir Mitgefühl nicht zulassen und anderen nicht helfen. Akzeptanz schließt nicht dynamisches Wählen, Entscheiden und Handeln aus. Doch dieses Wirken entspringt nicht einem kleinen, furchtsamen oder überheblichen und begierigen Ego, sondern erfolgt aus Einsicht, Gelassenheit und Liebe.  

Alles Sein, jedes Atom ist geboren aus und durchdrungen von Weisheit und Liebe. Nur unser getrübter Verstand kann dies nicht erkennen. Wir befinden uns inmitten des Ozeans der Fülle, Weisheit und Schönheit des Lebens und suchen dennoch verzweifelt nach ozeanischem Wasser, nach dem Glück. In der liebevollen Hingabe an das Sein wie es gegenwärtig ist, an die Menschen, wie sie sind, an die „Unperfektheit“ der Erscheinungen wachsen wir über unser Ego hinaus. Dabei durchschauen wir die Wertlosigkeit aller Suche nach dem Glück. Gehen wir in uns, werden wir frei von zwanghaftem Denken und Bewerten. Können wir in der inneren Stille verweilen, so erkennen und erfahren wir, dass das, was wir im „Unperfekten“ suchen, stets „vollkommen“ in uns vorhanden ist. Das bedeutet „Befreiung“. So wird es Licht in uns.

Die Unperfektheit der Welt ruft uns auf, über unsere enge, vom Ego geprägte Sicht der Dinge hinauszugehen. Der Erkennende leidet nicht mehr unter der eigenen Unperfektheit und derjenigen seiner Umwelt, sondern er ist erfüllt von Dankbarkeit für das „So-Sein“ dieser Welt. Sein Herz wird ergriffen von der Schönheit und Göttlichkeit eines jeden Augenblicks.

 

Mit herzlichen Grüßen

Euer Bernd