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Essay-Brief Mai 2013

Erlösende Weisheit (Teil 2) - Jnana Yoga

© Bernd Helge Fritsch

 

Der Mensch ist nicht nur ein Geschöpf des universellen Geistes, wie dies für  Mineralien, Pflanzen und Tiere gilt, sondern ist selbst mit „Schöpfer-Kraft“ ausgestattet. Er hat grundsätzlich die „Freiheit“ sein Leben, seine Umwelt, sein Schicksal im Rahmen der universellen Gesetze selbst zu gestalten. Bei ihm liegt die Entscheidung, ob er den Weg zur „individualisierten Gottheit“ gehen will.

 

Wie im letzten Essay-Brief angesprochen, entstammen alle Erscheinungsformen dem universellen Bewusstsein. Sie sind durch und durch eins mit dem allumfassenden Sein, auch „Gott“ genannt, doch sie haben in der Regel kein Bewusstsein von dieser Göttlichkeit. Jeder Mensch trägt in sich die „Anlage“ dieses Bewusstsein zu verwirklichen. Damit verwirklicht er seine höchste Berufung. Er wird zu einer „individualisierten Gottheit“ und auf diese Weise unsterblich, unbegrenzt und vollkommen.

Jedem Menschen werden auf seinem Erden-Weg, der ihm die Chance zur Selbstverwirklichung (Verwirklichung der individuellen Gottheit)  gibt, folgende „Werkzeuge“ mit gegeben:

 

Unser Mind wird nach alter indischer Weisheit von den drei Gunas (Sanskrit – Eigenschaften, die die „Urmaterie“ bilden) geprägt:

Jeder kann bei entsprechender Selbstbeobachtung diese Eigenschaften in seinem Seelenleben erkennen. Der Charakter und das Verhalten eines Menschen werden von seinen individuellen Guna-Kräften geprägt. Diese, von der Natur uns mitgegebenen Kräfte, sind wichtige Werkzeuge um unsere Mission auf der Erde zu erfüllten. Wir benötigen Rajas um uns tatkräftig mit unseren Lebensaufgaben auseinander zu setzen und um schöpferisch zu wirken. Herrscht Rajas vor, so führt dies zu hoher Aktivität. Tamas sorgt für Erdverbunden-heit. Bei intensiver Ausprägung verursacht es eine starke Bindung an den Körper. Durch Sattva werden Rajas und Tamas in sinnvolle Bahnen gelenkt. Sattva schenkt dem Menschen Weisheit und Ausgeglichenheit und ermöglicht ihm letztlich sich über seine Guna-Natur zu erheben.

 

Die enge Verbindung unseres SELBST (göttlicher Funke in uns) mit unserem Körper und unserem Mind führt dazu, dass dieses Selbst verschleiert wird. Wie Wolken die Sonne verdecken, so verdeckt die einseitige Wahrnehmung der materiellen Welt unseren Wesenskern. Zugleich kommt es zur Ausgestaltung eines Egos. Dieses Ego ist geprägt von seiner Identifikation mit dem Körper, mit seinem Denken und seinen Gefühlen. Es funktioniert gemäß dem Programm seines dualen „Gut-Böse“-Denkens. Doch es vergisst dabei seinen göttlichen Ursprung. Es glaubt an das „Schlechte“ und „Unvollkommene“ in der Welt. Es kämpft dagegen an und erzeugt es - für sein eingeschränktes Bewusstsein - auf diese Weise. Es hat Ängste und Sorgen und eilt auf Irrwegen seinem Glück hinterher.

Das „Ego“, das „Böse“, das „Unvollkommene“ sind Produkte des dualen Denkens. Sie bilden für den Menschen eine mächtige „Schein-Wirklichkeit“ (Maya), in der er, wie in einem Spinnennetz gefangen, zappelt.

Der richtige Umgang mit den Gunas, mit den in uns wirkenden Naturkräften, besteht darin

 

Ausführlich beschrieben werden die drei Gunas und ihre Transformation in der Bahgavad-Gita, insbesondere im Kapitel XIV. Hier lesen wir:

„Wer gelassen beobachtet, ungestört von den materiellen Erscheinungen, wer abseits steht, ohne zu schwanken, wissend, dass es nur die Guna-Kräfte sind, welche handeln,

wer Schmerz und Freude für gleich erachtet, in seinem eigenen Selbst wohnt, wer einen Erdklumpen, einen Stein, ein Stück Gold, als gleich erachtet, wer bei Angenehmen und Unangenehmen derselbe bleibt, starken Sinnes ist, von Tadel und Lob unberührt,

wer in Ehre und Unehre derselbe bleibt, derselbe gegen Freunde und Feinde, für wen Tun und Nicht-Tun keinen Unterschied macht, der gilt als über die Erscheinungen erhoben,

wer mir (Krishna - dem eigenen Selbst) mit unerschütterlicher, liebender Hingabe dient, erhebt sich über die drei Erscheinungsweisen; er ist tauglich, zum Brahman (universelles Bewusstsein) zu werden.   

Gita 14.22 – 14.25

 

Wie sind diese Worte der Gita zu verstehen und wie können wir sie praktisch umsetzen?

 

Wahre Liebe zum Sein und zu allen Wesen auf unserer Erde kann nur durch radikales Vertrauen auf die Vollkommenheit des universellen, alldurchdringenden Bewusstseins verwirklicht werden. Das bedeutet, wie die Gita lehrt, die ständige „unerschütterliche, liebende Hingabe zu Krishna“, zum „göttlichen Funken“ in mir. Dieser „Funken“, (das Selbst) ist immer in uns gegenwärtig, doch meist unbemerkt. Doch wir können ihn - den unsichtbaren -  wahrnehmen, wenn wir uns bewusst machen:

 

In der „Kena-Upanischad“ (Upanischaden = Sammlung hinduistischer Weisheits-Lehren, niedergeschrieben ca. 700 bis 200 v.Chr.) lesen wir über das Selbst:

„Das Selbst ist weder das Bekannte noch das Unbekannte.

Es ist das, was die Zuge sprechen lässt aber nicht von der Zunge gesprochen werden kann.

Es ist das, was das Auge sehen lässt, aber nicht von den Augen gesehen werden kann.“

„Dieses Selbst ist niemand anderes als du.“

„Das Selbst wird realisiert, wenn du die irrige Meinung durchbrochen hast, du seist der Körper und du seist Geburt und Tod unterworfen.

Das Selbst zu sein bedeutet, über den Tod hinauszugehen.“

 

Für diejenigen, die sich eingehend mit den Weltreligionen und  großen Weisheitslehren der Menschheit auseinander setzen, ist es eine Freude zu erkennen, dass die Essenz all dieser Lehren sich nur unwesentlich von den viele jahrtausende alten indischen Lehren unterscheidet. Für alle gilt als höchstes Lebensziel: die Verwirklichung des  „Selbst“.

Für manchen, der nicht bewusst mit seinem Selbst verbunden ist, klingen die Worte wie „individualisierte Gottheit“, „liebende Hingabe zu Krishna“, „das Selbst“ oder „über den Tod hinausgehen“ geheimnisvoll, phantastisch oder unerreichbar. In Wirklichkeit wird mit solchen Worten auf eine Ebene verwiesen, die keinesfalls „außergewöhnlich“, „abgehoben“ oder gar als „sensationell“ zu bezeichnen ist. Es ist der duale, an die Erscheinungen gebundene Verstand, der aus dieser Dimension etwas „Übernatürliches“ macht oder sie als Hirngespinst ablehnt. Für den der diese Ebene „schauen“ kann, handelt es sich um eine ganz natürliche Art zu sein.